Das Reichenhaller Tagblatt vom 2.4.2011 berichtete über den Kabarettisten Jochen Malmsheimer (Autorin: Barbara Titze)

 

Von brennenden Bastlern und Schnaps-Kennern

 

Sprachakrobatik vom Feinsten mit

Jochen Malmsheimer im Magazin 4

 

BAD REICHENHALL – Er jongliert mit der Sprache wie ein Clown mit Bällen und es braucht höchste Konzentration der Zuschauer, wenn sie den an Worten und Bildern reichen Höhenflügen des Kabarettisten folgen wollen. Jochen Malmsheimer präsentierte sein aktuelles Programm „Wenn Worte reden könnten“ im Magazin 4. Er begann den Abend in der Hoffnung, dass die „keramischen Einrichtungen“ bereits benutzt worden seien und mit der dringenden Empfehlung, Handys auszuschalten. Wenn er während des Programms ein Klingeln hören würde, wäre es gut für den Besitzer des Apparates, wenn er den Hinweis „Lassen Sie mich durch, ich bin Arzt!“ von sich geben würde, „weil es sonst für die anderen lustig, für den Betreffenden als Desaster und für das Gerät final“ enden würde.

 

Malmsheimer berichtete von seinen zwei Kindern, vor allem von dem Sohn, der zwar die Lokomotive gleich als preußische P 8 erkannte, aber leider „noch nicht den semantischen Unterschied zwischen Popo und Papa“. Die Begeisterung des Kleinen für die Eisenbahn führte zu einem Schlüsselerlebnis im Einkaufscenter, als er sich genötigt sah, für einen „obszön zu nennenden Betrag“ eine Eisenbahn im Maßstab 1:2 zu kaufen, für deren Bahnhof er sich „von einigen Immobilien trennen“ musste. Er überwand das Hindernis eines Drehkreuzes in Gemächthöhe, dachte dann mal so halblaut zu sicher herüber, wie er das manchmal tut, so wie er auch schon mal zu sich selber „hör mal“ oder „sag mal“ sagt, niemals aber „komm mal“, und überlegte, wie er mit der „Bahnhofsgebäudemodell-Mafia“ fertig werden könnte, die den Bahnhof in 300.000 Teilen zum Zusammenbauen lieferte.

Als er die Teile zusammenklebte, war er noch Raucher. Dem Publikum schwante schon Böses, und es behielt recht. Das  Lösungsmittel im Leim war so entzündlich wie Romeo und Julia, die Zigarette hatte zeitgleich an einem Punkt des Filters 800 Grad. Zudem verwechselte Malmsheimer beim Rauchen und Kleben schon mal die Hände, was zur Folge hatte, dass er mit brennender Hand durchs Wohnzimmer lief und dies seinem Sohn den fachmännischen Kommentar „Sch-sch-sch“ entlockte.

Malmsheimer stellte sich die „mirakulöse“ Frage, was einen Jungen zum Mann macht, und beantwortete sie auch gleich selbst: „Sein erstes Bier“. Er selber trank es in einer Kneipe namens „Masseltoff“ aus einem Glas mit Lippenstiftabdruck in auberginenem Fett und machte interessante Bekanntschaften. Unter anderem lernte er erfahrene Schnapstrinker kennen - „bei einem guten Grappa schmeckt man richtig die Äpfel durch“.

 

Sinn-Frage

 

Bei der Beschreibung seines Hundes, der so groß ist, dass er ihm auf gleicher Höhe in die Augen blicken kann, wenn er liegt, schweifte Jochen Malmsheimer kurz ab in die Untiefen stilistischer Feinheiten der deutschen Sprache. Falsch ist die Wendung „was Sinn macht“, denn sie „ergibt den Sinn, dieser ist das Ergebnis, nicht die Tätigkeit“.

Stakkatosätze prasselten auf das Publikum hernieder, das aufpassen musste, nicht vor lauter Lachen den Anschluss zu verlieren, so schnell folgte eine Pointe auf die andere. Paradox ist für Malmsheimer auch die Behauptung, „früher war alles besser“, denn es gab ja früher angeblich nichts. Der Kabarettist erinnert an die Ahoi-Brause, Popeline-Mäntel, die „Wäsche-Clementine“, die nicht nur „sauber, sondern rein“ wusch, und die Pril-Blume. Früher gab es vieles, was die heutige Jugend nicht mehr kennt. Die heutige Party war damals die Fete, es war die Zeit der erwachenden Sexualität. „Mein erster Sex wurde von meiner damaligen Partnerin gar nicht als solcher erkannt“, erzählte Malmsheimer.

Man  vergnügte sich zur Musik, die man selber auf Kasettenrekordern aufgenommen hatte, und die deshalb oft genug noch die Verkehrshinweise enthielten. „So viele Verkehrshinweise, ohne selber Verkehr gehabt zu haben“. Und es gab so ungemein interessante Hinweise wie „Achtung, liebe Autofahrer, auf der A43 schneit es in beiden Richtungen“ oder „Hinweis für die Autofahrer auf der  A 70 Richtung Münster: Die A 70 führt nicht nach Münster!“

Malmsheimer ist absurd, temporeich und fast anstrengend komisch. Er führt sein Publikum in die Irre, als er vom Dichter Christian Fürchtegott Rosenkranz spricht, der zu seinen Lebzeiten auch seiner Familie so gut wie unbekannt war, und dann den Vierzeiler zitiert „Frühling hat sein blaues Band wieder einmal so verspannt, dass rund zehn Prozent der Welt wieder auf die Fresse fällt“. Erklärend fügt er hinzu, das das Originalgedicht nicht von Hölderlin stammte. Nein, in der Tat, das bekannte Gedicht von dem blauen Frühlingsband ist von Mörike. Man hat den Eindruck, Jochen Malmsheimer stellt die Belesenheit seines Publikums auf die Probe. An seiner eigenen besteht kein Zweifel.

 

Melanom-Inkubatoren

 

Er räsoniert über Jugendliche mit „mehr Nirosta im Gesicht als eine Spüle“, über den „coitus a tergo“, also das „Arschgeweih“, über Talkshows mit Angehörigen bildungsferner Schichten und warnt eindringlich vor „Melanom-Inkubatoren“, den Solarien.

Nach einem anspruchsvollen, von Wortspielereien und intellektuellem Witz mit kurzen Ausflügen ins Derbe geprägten Programm bedankt sich der Kabarettist: „Für Sie zu spielen war mir ein warmes Fußbad“. Zu guter Letzt gibt er noch seinen persönlichen irischen Reisesegen mit auf den Weg „Auf dass der Wind in euren Wolken nie euer eigener sei!“ Der knappe, begeisterte Kommentar eines Zuschauers gibt die Veranstaltung in einem Wort wieder: „Genial!“