Im Reichenhaller Tagblatt vom 23.4.2011 berichtete Veronika Mergenthal von einem ganz besonderen Konzert, bei dem der Gypsy Jazz aufs Wienerlied traf:

 

Jazz mit Wiener Charme und Melancholie

 

Gypsy-Formation „Joschi Schneeberger Sextett“

beeindruckt im Magazin 4

 

BAD REICHENHALL - „Natürlich bin ich stolz, Zigeuner zu sein, aber ich bin auch stolz, Wiener zu sein“, zitiert der Verein „blueSimon“ auf seiner Homepage den Vollblut-Musiker Joschi Schneeberger. Dieses Lebensgefühl hat der Sinto aus Wien mit seinem „Joschi Schneeberger Sextett“ in die Musik übertragen. Das Publikum in den voll besetzten Reihen des Bar-Raums im Magazin 4 der Alten Saline war hingerissen von der Spielfreude, der sprühenden Vitalität, der verblüffenden Virtuosität und dem absolut organischen Miteinander der Wiener Gypsy-Jazz-Ausnahmeformation.

Trotz einer oft melancholischen Grundstimmung, die das Wienerlied mit der Zigeunermusik verbindet, strahlte die Musik pure Lebensfreude aus. Durch den Abend führte auf charmante Weise mit seinem speziellem Wiener Humor Karl Hodina, der in den 70er-Jahren eine „echte“ Wiener Volksmusik mit ihren slawischen Einflüssen und ihrer in den „Gstanzln“ oft sozialkritischen Note wiederbelebt hatte.

„Volksmusik ist die Basis, sie ist nicht konstruiert, nicht mit Eitelkeiten besetzt, sie wächst einfach“ philosophierte Hodina, „graue Eminenz“ des Sextetts, in der Pause. Urmusikantisch spielte er das Akkordeon, entlockte ihm aber auch sphärische Klänge, so in einem zauberhaften Schluss-Duo mit Schneebergers Kontrabass. Gänsehautgefühl kam auf, wenn Hodina nach der sich immer mehr aufladenden Improvisation der Band mit dezent nachbebender Stimme zu singen anhob. Sein Gesang war ungekünstelte Poesie, war wie sein Spiel von seiner Liebe zur Malerei und Dichtung geprägt: „I woaß an Himme für uns zwoa“, hieß es zu Beispiel in seinem Liebeslied „Deine Haar“. Die Musiker bringen die verschiedensten Stilelemente mit ein, von der Musik der Insel Mauritius, wo Hodina 13 Mal je einen Monat lang war, bis zum Latin.

Die Lieder haben die Bandmitglieder komponiert, wie Pianist Aaron Wonesch „Catch the cat“. „I lass mi von der Katz inspirieren“, verriet er schmunzelnd. Wie eine jagende Katze mutete sein modern bizarres Solo-Intro an – schöpferisch, überströmend war sein vielseitiges Spiel.

Bassist Schneeberger ließ bei dem seiner Frau gewidmeten „Puppi“ regelrecht die Puppen tanzen. Das Stück „Sandro und Celina“, das er für seine Enkels geschrieben hatte, stimmte er passend zur Wildheit der Kinder mit einem furiosen Solo an. In immer neuen Facetten brachte er sein behäbiges Instrument federnd zum Klingen. Hodinas Titel „Für'n Josi, mein Freind“ lebte vom Gegensatz zwischen einem langsamen, schwermütigen, tangoähnlichen Teil mit gestrichenem Bass und einem rasanten Teil mit peitschender Rhythmik. Der Jüngste der Band, Schneebergers 21-jähriger Sohn Diknu, machte seiner Auszeichnung 2006 mit dem Hans-Koller-Preis, dem wichtigsten Jazzpreis in Österreich, alle Ehre, etwa in den seiner Mutter und seinem Vater gewidmeten Eigenkompositionen. Atemberaubende Fingerfertigkeit paarte sich bei ihm mit äußerster Präzision, unbändiger Musizierlust und Spontaneität.

Mit Martin Spitzer, der den Gypsy Rhythmus ebenso perfekt beherrscht und der den Hans-Koller-Preis 2008 bekam, wechselte er mit dem Part der Sologitarre. Der Sechste im Bunde, Toni Mühlhofer an den Bongos in genialer Abstimmung mit Rhythmusgitarren, verlieh dem Sound eine unverwechselbare Note und beeindruckte wie jeder der sechs mit tollen Solo-Improvisationen.

Ein „Flow“ ging durch das ganze Ensemble, das absolut entspannt wirkte und die Übergänge, Intros und Schlüsse kunstvoll zelebrierte. Ein Höhepunkt zum Schluss war das innige Liebeslied „I liassert Kirschen für di wachsen – ohne Kern“.

Als Dreingabe für die rhythmisch klatschenden Zuhörer sang Hodina verschmitzt eine Art Monolog eines notorischen Heurigen-Hockenbleibers: „I hob mia gestern a poar Vierteln geb'n.“